Wohlverhaltensphase: Dauer, Rechte und Pflichten

Die Wohlverhaltensphase ist Ihre Chance auf einen echten Neuanfang. Hier erfahren Sie alles über Dauer, Beginn und Pflichten.

Eine Frau im Blazer schaut freundlich in die Kamera
Inhalt

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wohlverhaltensphase beginnt mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dauert unter Anrechnung der Zeit des eröffneten Insolvenzverfahrens drei Jahre.
  • Wer sich an die Regeln hält, bekommt danach die Restschuldbefreiung.
  • Auch in dieser Zeit dürfen Sie selbstständig arbeiten oder ein Unternehmen gründen – eine Zustimmung des Treuhänders oder der Treuhänderin ist nicht erforderlich.
  • Steuererstattungen aus unpfändbarem Einkommen dürfen Sie in der Regel behalten.
  • Wer neue Schulden macht oder Pflichten verletzt, riskiert die Restschuldbefreiung.

Die Wohlverhaltensphase – Ihr Weg aus den Schulden

Die wichtigste Phase in einem Insolvenzverfahren ist die Wohlverhaltensphase. In dieser Zeit zeigen Sie, dass Sie Verantwortung übernehmen. Sie halten sich an die Regeln und tun alles, um Ihre Schulden abzubauen. Das Ziel ist klar: die Restschuldbefreiung, und damit der unbelastete Neuanfang.

In diesem Beitrag erfahren Sie, was die Wohlverhaltensphase bedeutet, wann sie beginnt, wie lange sie dauert und was Sie in dieser Zeit dürfen oder nicht. Egal, ob Sie in der Regelinsolvenz oder in der Privatinsolvenz sind oder noch überlegen, den Insolvenzantrag zu stellen: Hier finden Sie die Infos, die Sie wirklich brauchen.

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Was ist die Wohlverhaltensphase?

Die Wohlverhaltensphase ist der letzte Abschnitt Ihres Insolvenzverfahrens. Sie läuft auch dann noch weiter, wenn das eigentliche Insolvenzverfahren abgeschlossen ist – also nachdem die Insolvenzmasse verteilt wurde und der Schlusstermin stattgefunden hat.

Während des Insolvenzverfahrens verwaltet ein Insolvenzverwalter oder eine Insolvenzverwalterin Ihr Vermögen. Am Anfang geht es vor allem darum, aus dem, was da ist, Ihre Schulden zu begleichen und dabei alle Gläubiger*innen gleich zu behandeln. 

Sobald dieser Teil erledigt ist, gilt die Insolvenz als abgeschlossen – und die Wohlverhaltensphase beginnt. Ab jetzt gibt es keinen Insolvenzverwalter mehr. Stattdessen bestellt das Insolvenzgericht meist personengleich einen Treuhänder oder eine Treuhänderin. Daher ist ein anderer Begriff für Wohlverhaltensphase auch Treuhandphase. 

Sie zahlen weiterhin den pfändbaren Teil Ihres Einkommens an diese Person, die dafür sorgt, dass das Geld gerecht unter den Gläubiger*innen verteilt wird. Wenn Sie sich konsequent an die Spielregeln halten, wird Ihnen am Ende die Restschuld erlassen – egal, in welcher Höhe, und selbst dann, wenn Sie kaum oder gar nichts davon abzahlen konnten. Das ist Ihre Chance, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen!

Wohlverhaltensphase in der Regelinsolvenz

Die Regelinsolvenz dauert in der Praxis meist ein bis zwei Jahre – je nachdem, wie viele Unterlagen geprüft und wie viel Vermögen verwertet werden muss. Für Kapitalgesellschaften endet damit das gesamte Insolvenzverfahren. Für Sie als Unternehmer*in beginnt aber schon mit der Verfahrenseröffnung ein neuer Abschnitt: die dreijährige Bewährungszeit bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung (lesen Sie für mehr Informationen zum Involvenzverfahren auch unseren Ratgeber Regelinsolvenz: Voraussetzungen, Ablauf und Dauer).

Ab diesem Tag gelten klare Pflichten: Sie müssen sich um ein Einkommen bemühen und dürfen Veränderungen wie einen Umzug, eine neue Tätigkeit oder Einkommensänderungen nicht einfach für sich behalten. Alles, was Ihre wirtschaftliche Situation betrifft, melden Sie aktiv an den Insolvenzverwalter oder die Insolvenzverwalterin, die in der Wohlverhaltensphase zum Treuhänder bzw. zur Treuhänderin wird.

Die gute Nachricht: Sie dürfen weiter unternehmerisch aktiv sein – die Person, die mit der Insolvenzverwaltung betraut ist, kann dafür eine Freigabe Ihrer Selbstständigkeit veranlassen. Selbst eine Neugründung ist möglich. Lesen Sie mehr über diese Möglichkeit in unserem Ratgeber Trotz Insolvenz selbstständig bleiben: Geht das? 

Wenn Sie die Wohlverhaltensphase konsequent nutzen und Ihre Pflichten erfüllen, winkt am Ende die Restschuldbefreiung – und damit ein kompletter Neustart.

Wohlverhaltensphase in der Privatinsolvenz

In der Privatinsolvenz, auch Verbraucherinsolvenz genannt, gelten für die Wohlverhaltensphase vergleichbare Regeln wie bei der Regelinsolvenz: Sie müssen jede Änderung Ihrer Lebens- oder Einkommenssituation von sich aus melden und alles tun, um eigenes Einkommen zu erzielen,

Das heißt: Sie müssen sich ernsthaft um Arbeit bzw. Einkommen bemühen, dürfen keine neuen Schulden machen und müssen offen mit Ihrem Treuhänder bzw. Ihrer Treuhänderin kommunizieren.

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Wann beginnt die Wohlverhaltensphase?

Die Wohlverhaltensphase beginnt mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Ab diesem Zeitpunkt verpflichten Sie sich, den pfändbaren Teil Ihres Einkommens abzutreten, damit der/die Treuhänder*in diese Beträge an die Gläubiger*innen verteilt. 

Das gilt sowohl in der Regelinsolvenz (für Selbstständige und ehemals Selbstständige) als auch in der Verbraucherinsolvenz (für Privatpersonen). 

Wie lange dauert die Wohlverhaltensphase?

Die Wohlverhaltensphase dauert unter Anrechnung der Zeit des Insolvenzverfahrens drei Jahre – sowohl in der Regel- als auch in der Privatinsolvenz. Diese verkürzte Dauer gilt für alle Insolvenzverfahren, die seit dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. 

Vor der Reform im Jahr 2020 konnte die Wohlverhaltensphase bis zu sechs Jahre dauern. Heute geht es schneller – das ist eine echte Chance für alle, die neu anfangen wollen. Wichtig: Die drei Jahre beginnen nicht erst nach dem Insolvenzverfahren (also nach dem Schlusstermin), sondern mit der Eröffnung des Verfahrens.

Nutzen Sie diese Zeit gut. Wer aktiv bleibt, spart nicht nur Zeit, sondern sichert sich auch einen klaren Schlussstrich unter die Schulden.

Schlusstermin im Insolvenzverfahren

Der Schlusstermin ist ein wichtiger Meilenstein im Insolvenzverfahren. Er steht allerdings nicht am Ende, wenn Sie endlich die Restschuldbefreiung erreicht haben, sondern markiert den Abschluss des eigentlichen Insolvenzverfahrens. In der Regel findet dieser Termin etwa ein Jahr nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Er wird vom Insolvenzgericht festgelegt und kann entweder als Präsenztermin im Gericht oder auch schriftlich durchgeführt werden. Ob Ihre persönliche Anwesenheit erforderlich ist, teilt Ihnen das Gericht mit.

Der Schlusstermin dient dazu, die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters bzw. der Insolvenzverwalterin zu erörtern. Die Gläubiger*innen bekommen die Möglichkeit, Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis zu erheben. 

Nach dem Schlusstermin und der Verteilung der Insolvenzmasse wird das Insolvenzverfahren offiziell aufgehoben und Ihnen durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt. Das heißt aber noch nicht, dass Sie die Restschuldbefreiung erreicht haben. Für diese ist nach Ablauf von insgesamt drei Jahren (Zeit des Insolvenzverfahrens + Zeit der Wohlverhaltensperiode) ein weiterer Beschluss erforderlich, unabhängig davon, ob Sie Ihre Schulden in dieser Zeit abzahlen konnten oder nicht. Ein gesonderter Schlusstermin am Ende der Wohlverhaltensperiode ist hierfür nicht vorgesehen. Das Insolvenzgericht prüft lediglich, ob Sie Ihren Pflichten nachgekommen sind. Der Treuhänder bzw. die Treuhänderin verteilt zum Abschluss das vereinnahmte pfändbare Arbeitseinkommen.

Das Gesetz kennt eine Reihe von Versagensgründen, die dazu führen, dass Sie keine Restschuldbefreiung bekommen. Dazu gehört, dass Sie sich während der Wohlverhaltensphase nicht um ein Einkommen bemüht oder Änderungen Ihrer wirtschaftlichen Situation verschwiegen haben.

Sind keine Verstöße bekannt, wird Ihnen die Restschuldbefreiung erteilt. Dieser Beschluss wird Ihnen schriftlich zugestellt. Mit der Restschuldbefreiung sind Sie von den restlichen Schulden befreit. Einige Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, bleiben jedoch weiterhin bestehen. 

Was darf man alles in der Wohlverhaltensphase?

Die Wohlverhaltensphase ist ein entscheidender Abschnitt im Insolvenzverfahren. In dieser Zeit haben Sie bestimmte Pflichten, sogenannte Obliegenheiten, die erfüllt werden müssen, um am Ende die Restschuldbefreiung zu erhalten. Dazu gehört die Verpflichtung, den pfändbaren Teil Ihres Einkommens an den/die Treuhänder*in abzuführen und Veränderungen Ihrer Situation unverzüglich mitzuteilen.

Kredite und Anschaffungen während der Wohlverhaltensphase – was ist erlaubt?

Während der Wohlverhaltensphase sollten Sie vorsichtig sein, wenn es um neue Schulden geht. Das Eingehen von unangemessenen Verbindlichkeiten kann dazu führen, dass das Gericht die Restschuldbefreiung versagt. Größere Anschaffungen sollten möglichst aus Ihrem unpfändbaren Vermögen finanziert werden. Sollten Sie nach einer Freigabe der Selbstständigkeit Ihr Unternehmen weiterführen und das Insolvenzverfahren noch nicht beendet sein, ist es ratsam, Kreditfinanzierungen dem Insolvenzverwalter bzw. der Insolvenzverwalterin zumindest mitzuteilen. Beachten Sie, dass es sowohl im eröffneten Insolvenzverfahren als auch während der Wohlverhaltensphase schwierig sein kann, Kredite von seriösen Banken zu erhalten, da Ihre Bonität durch das laufende Insolvenzverfahren beeinträchtigt ist. 

Wie viel darf man in der Wohlverhaltensphase verdienen?

Es gibt keine Obergrenze für Ihr Einkommen während der Wohlverhaltensphase. Allerdings sind Sie verpflichtet, den pfändbaren Teil Ihres Einkommens an den/die Treuhänder*in abzuführen, damit diese Beträge gerecht an die Gläubiger*innen verteilt werden können. Der unpfändbare Teil Ihres Einkommens steht Ihnen zur freien Verfügung. Die aktuellen Pfändungsfreigrenzen können Sie unserem Ratgeber zur Pfändungstabelle entnehmen. 

Wie viel Geld darf ich während der Wohlverhaltensphase auf dem Konto haben?

Während der Wohlverhaltensphase dürfen Sie Vermögen aus Ihrem unpfändbaren Einkommen ansparen. Auch Schenkungen oder Steuererstattungen können Sie in der Regel behalten, sofern keine Schulden beim Finanzamt bestehen. Es ist jedoch ratsam, größere Vermögensansammlungen dem/der Insolvenzverwalter*in mitzuteilen, solange das Insolvenzverfahren nicht beendet ist, um Missverständnisse zu vermeiden. Sobald Sie in der Wohlverhaltensperiode sind und der/die Treuhänder*in bestellt ist, gilt diese Mitteilungspflicht nicht mehr.

Bitte beachten Sie, dass die Einhaltung der Regeln während der Wohlverhaltensphase entscheidend für die Restschuldbefreiung ist. Bei Verstößen kann das Gericht die Restschuldbefreiung versagen.  

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Steuernachzahlungen in der Wohlverhaltensphase

In der Wohlverhaltensphase sind Sie wieder selbst für Ihre Steuererklärungen zuständig (in unserem Ratgeber Steuererklärung selbst machen: Tipps für Selbstständige haben wir aufgeschrieben, wie Sie auch ohne Steuerberatung Ihre Steuererklärung machen können). Nur während des laufenden Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter oder die Insolvenzverwalterin für die Abgabe Ihrer Steuererklärung zuständig – allerdings müssen Sie alle notwendigen Informationen dafür bereitstellen und es muss ausreichend Geld in der Masse vorhanden sein, damit der Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzverwalterin die Erstellung der Steuererklärungen bezahlen kann.

Wenn Sie in der Wohlverhaltensphase Steuern nachzahlen sollen und sich diese Forderung auf Einkünfte bezieht, die Sie während der Wohlverhaltensphase erzielt haben, dann müssen Sie diese selbst bezahlen – aus Ihrem unpfändbaren Einkommen. Denn: Sie sind jetzt wieder selbst wirtschaftlich verantwortlich, und dazu gehört auch, dass Sie Ihre laufenden Steuerpflichten erfüllen und keine neuen (Steuer-) Schulden machen.

Und was ist mit Steuererstattungen? Diese dürfen Sie in der Regel behalten – wenn sie nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind und es keine offenen Steuerschulden beim Finanzamt mehr gibt. Eine nicht seltene Ausnahme besteht allerdings darin, dass sich der Insolvenzverwalter bzw. die Insolvenzverwalterin diese Erstattungsansprüche zuvor hat abtreten lassen, um das Geld an die Gläubiger*innen zu verteilen.

Worauf sollten Sie achten?

  • Geben Sie Ihre Steuererklärungen fristgerecht ab.
  • Melden Sie Steuererstattungen oder Nachzahlungen dem/der Treuhänder*in, damit klar ist, woher das Geld kommt und es korrekt zugeordnet werden kann.
  • Vermeiden Sie neue Steuerschulden, denn sie können zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.
  • Lassen Sie sich beraten, wenn Sie unsicher sind. 

Fazit : Drei Jahre für einen neuen Anfang

Die Wohlverhaltensphase ist Ihr Weg zurück in die unternehmerische Freiheit. Wer Verantwortung übernimmt, mit offenen Karten spielt und die Spielregeln einhält, hat gute Chancen auf die Restschuldbefreiung. Drei Jahre können lang sein – aber sie bringen Ihnen etwas, das unbezahlbar ist: einen unbelasteten Neustart.

FAQ zur Wohlverhaltensphase

Wie lange dauert eine Wohlverhaltensphase?

Die Wohlverhaltensphase dauert unter Anrechnung der Zeit des eröffneten Insolvenzverfahrens drei Jahre – und zwar ab dem Tag, an dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Voraussetzung für die Restschuldbefreiung nach drei Jahren ist, dass Sie in dieser Zeit allen gesetzlichen Pflichten nachkommen und ehrlich kommunizieren.

Was darf man in der Wohlverhaltensphase?

In der Wohlverhaltensphase dürfen Sie vieles – vor allem: unternehmerisch aktiv sein. Sie dürfen Ihr Unternehmen weiterführen oder ein neues Unternehmen gründen. Sie dürfen und sollen Einkommen erzielen, von dem Sie den pfändbaren Anteil abgeben. Was nicht geht: neue Schulden machen, ohne die alten bedienen zu können. Und Sie müssen alle Veränderungen (z. B. Umzug, Jobwechsel, Mehrverdienst) melden.

Wie viel Geld darf ich in der Wohlverhaltensphase auf dem Konto haben?

Sie dürfen Vermögen aus Ihrem unpfändbaren Einkommen ansparen – zum Beispiel Rücklagen für laufende Ausgaben oder Notfälle. Es gibt keine feste Obergrenze fürs Konto, aber größere Beträge sollten Sie offen kommunizieren, solange das Insolvenzverfahren nicht beendet ist, um Ärger zu vermeiden. Wichtig ist: Pfändbar bleibt nur das, was über der gesetzlichen Freigrenze liegt – nicht mehr.

Wann wird in der Wohlverhaltensphase das letzte Mal gepfändet?

Die Pfändung endet mit dem Ablauf der dreijährigen Wohlverhaltensphase – wenn Sie alle Pflichten erfüllt haben. Nach der Erteilung der Restschuldbefreiung wird kein Einkommen mehr abgeführt. Ab diesem Moment sind Sie schuldenfrei und wirtschaftlich wieder vollständig handlungsfähig.

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bhp